Von der überzeugten Atheistin im kommunistischen Umfeld zu einer bedeutendsten geistlichen Gestalten des 20. Jahrhunderts, von der Gottesleugnerin zur überzeugten Christin, die als „Mystikerin der Straße“ viele Menschen erreicht und gestärkt hat – diesen Weg ist die französische Dichterin und Sozialarbeiterin Madeleine Delbrel gegangen. Annette Schleinzer hat für den Verlag Neue Stadt zentrale Texte von ihr zu einem Lesebuch zusammengefasst.
1964 ist die Frau, die felsenfest davon überzeugt war, dass sich Gott gerade im Alltag finden lasse, im Alter von 60 Jahren gestorben. Man hat sie als Vorläuferin des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeichnet. Aber gerade in ihrer Zuwendung zu den Ärmsten der Armen ist sie aktueller denn je. Leidenschaftlich fühlte sie sich zu Jesus Christus hingezogen – aber auch zu denen, die nicht (oder nicht mehr) an den zu glauben vermochten, der für sie zu Realität ihres Lebens geworden war: „Deine (Christus‘) Augen in unserem Augen“ sehen zu können, das war für sie pure Selbstverständlichkeit.

Sie ging an die Ränder des Lebens und an die Ränder des Glaubens. Niemand wollte sie verloren geben, in allen das Ebenbild Gottes sehen. In den für dieses Buch ausgewählten Texten geht es daher um Gottsuche und Gotteserfahrung, um den Dienst an den Armen, um das Geheimnis der Liebe Jesu Christi für die Menschen von heute, um die Mystik der Leute von der Straße, aber auch um „Fahrradspiritualität“: „Es ist wie mit einem Fahrrad, das sich nur aufrecht hält, wenn es fährt…Wir können uns nur aufrecht halten, wenn wir weitergehen, wenn wir uns hineinbegeben in den Schwung der Liebe.“
Madeleine Delbrel: „Deine Augen in unseren Augen“; geistliches Lesebuch; herausgegeben von Annette Schleinzer; Verlag Neue Stadt, München 2022; 268 Seiten; 24 Euro