Umstritten ist er. Zweifelsohne. Aber ebenso ohne Zweifel gehört er zu den prägenden Gestalten der deutschen Nachkriegsliteratur: Martin Walser. Der Professor für Religionsdidaktik der Medien an der Theologischen Fakultät der Uni Freiburg, Michael Albus, hat mit dem ebenso streitbaren wie umstrittenen Autor kurz vor dessen 95. Geburtstag ein ebenso langes wie hochinteressantes Gespräch geführt, das im Patmos Verlag als Buch erschienen ist. Ergänzt wurde es durch ein höchst lesenswertes Essay des Schriftstellers Arnold Stadler, seines Zeichens Träger des renommierten Georg-Büchner-Preises.
Zwei Tage lang haben sich die drei im Haus des Schriftstellers in Nußdorf am Bodensee miteinander unterhalten. Walser hatte sich dieses Gespräch selbst gewünscht, und auch wenn der das Wort „Rückblick“ nicht so gern hört („Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll, wenn Sie sagen ‚zurückblicken!'“), so ist es de facto natürlich doch einer geworden. Und zwar ein faszinierender.

In das Gespräch verwoben sind auch immer Passagen aus Walsers Lebenswerk, die das ganze vertiefen und sich um zentrale Punkte aus dessen Biografie drehen. „Wir können nichts mehr gutmachen. Nur versuchen, weniger falsch zu machen“, lautet da etwa eine Erkenntnis. Dann geht es in Gespräch und Originaltexten um das Schreiben („Zunächst wehren sich die Wörter“), die Sprache, das Erzählen („Man erzählt. Das genügt“) – und ja, auch, darum, sich der Sprache einfach anzuvertrauen. Familiengeschichte im Dritten Reich und Krieg werden nicht ausgeblendet und ein Blick auf Freunde (auch „schwierige“ wie Uwe Johnson) geworfen. Selbstverständlich findet auch der Bodensee, die große Inspiration Walsers, gebührend Raum. Und der greise Schreiber bekennt: „Zuviel Heimat gibt es nie.“
Martin Walser: „Lieber träumen wir alles, als dass wir es sagen“; ein Gespräch mit Michael Albus; mit einem Essay von Arnold Stadler; Patmos Verlag, Ostfildern 2022; 224 Seiten; 25 Euro