War Jeanne d’Arc in Wirklichkeit ein Mann? Eine der vielen Fragen und Mythen, die sich um Frankreich Nationalheldin Jeanne d’Arc ranken. Auch wenn sie Gerd Krumeich in einem Buch aus dem Verlag C.H.Beck mit einem klaren Nein beantwortet, so lohnt es sich dennoch, sich mit dem Leben der französischen Bauerntochter, die zur Identifikationsfigur ihres Landes wurde, zu befassen.
Der Professor für Neuere Geschichte an der Heinrich-Heine Universität in Düsseldorf konnte sich für seine Biografie anders als sonst in ähnlichen Fällen üblich auf ein umfassendes Quellenmaterial stützen: Schließlich existieren die Akten ihres Verdammungsprozesses ebenso wie die der Revision, in der 113 Zeitgenossen, die sie aus nächster Nähe kannten, immer noch. Von anderen in dieser Zeit entstandenen Berichten mal ganz zu schweigen. Und dennoch bleibt vieles von und über sie im Nebel und läßt sich nur schwer klären: War Jeanne d’Arc denn nun Seherin, Kriegerin oder Heilige? Oder alles? Oder nichts von dem?

Der Historiker schafft es dabei ganz wunderbar, ein Panorama der Zeit vor 600 Jahren zu zeichnen, in der die junge Frau, die in Frankreich heute noch hoch verehrt wird, lebte. Sein Ziel ist es, der historischen Wahrheit auf den Grund zu gehen, Jeanne d’Arc gewissermaßen zu entmythisieren. Aber das bedeutet beileibe nicht, dass dabei und dadurch die Spannung verloren ginge. Denn Krumeich macht gerade dadurch die Rahmenbedingungen, unter denen sich damals (die) Geschichte abspielte, deutlich: So verlagerte sich die Kriegsführung von den Rittern und Söldnern hin zum Volk. Und in Jeanne d’Arcs Leben spielte auch die direkte Beziehung zu Gott ohne den „Umweg“ durch die katholische Kirche eine große Rolle – eine Frage, die rund ein Jahrhundert später ja auch Martin Luther beschäftigte, ja plagte und schließlich zur Reformation führte.
Ein großer Vorteil des Buches ist auch, dass sich der Wissenschaftler lange Zeit mit dem Kult um Johanna von Orleans (als die sie in Deutschland bekannt ist, wenn man sie nicht gar Jungfrau von Orleans nennt) befasste, bevor er ihrem echten Leben auf die Spur ging. Dies schuf wohltuende Distanz, die Krumeichs flottem Schreibstil indes keinen Abbruch tat.
Gerd Krumeich: „Jeanne d’Arc – Seherin, Kriegerin, Heilige“; Biografie; Verlag C.H.Beck, München 2021; 400 Seiten; 28 Euro